Wenn der Lauftreff zum Ballast wird: 5 Tipps gegen Gruppenzwang beim Laufen

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Laufen, das ist heute mehr als nur ein Hobby oder ein gesunder Zeitvertreib. Laufen ist Lifestyle. Und das bedeutet, dass man nicht einfach nur für sich läuft. Viele von uns teilen gerne ihre Leidenschaft mit anderen. Im Reallife, indem sie in Lauftreffs, Laufcommunities oder Laufvereinen gemeinsam laufen. Und in den Social Media. Hier finden sich etliche Gleichgesinnte. Einen Marathon laufen? Kein Problem! So zumindest scheint es, wenn man sich diverse Instagram-Accounts von laufenden Menschen anschaut. Dabei kann der soziale Druck in einem Lauftreff, einer Laufcommunity, einem Laufverein oder eben in den Sozialen Medien dazu führen, dass man übermotiviert ist, zu schnell zu viel will, sich durch die Lauffreunde als minderwertige*r Läufer*in fühlt und im schlimmsten Fall am Ende die Lust und den Spaß am Laufen verliert. Im folgenden Blogpost erfährst Du, wie Du es schaffst, Dich auf die positiven Aspekte des Laufens in der Community zu konzentrieren und mögliche negative Einflüsse auszublenden. Ich gebe Dir 5 Tipps, wie Du vermeidest, dass Du aus Gruppenzwang Eigendruck aufbaust.

Marathon laufen – „Ist doch easy“

„Heute mal wieder einen entspannten 35km-Lauf gemacht“, „Diese Woche bin ich geile 100+ Kilometer gelaufen“, „Wer läuft mit mir am Sonntag 32km in easy 5:10-5:15er Pace?“, „Wie, Du bist beim Halbmarathon nur ne 1:53std gelaufen? Was war da los?“

Wenn Du läufst kennst Du das Gefühl vielleicht: In Deinem (virtuellen) Freundeskreis scheint es geradezu so von Supersportler(n)*innen zu wimmeln. Die gesamte sportliche Filterbubble scheint Dich ständig abzuhängen. Hier wieder ein „easy“ Longrun, da wieder ein „gechillter“ Wettkampf und am nächsten Tag ein krasses Workout mit anschließendem „Pausen“-Schwimmen. Wenn man seinen Sport mit Spaß betreibt und vielleicht auch nach einem Plan trainiert, kann man da schon mal unsicher werden. Was, sie macht schon wieder einen Longrun? Wie können 30+ Kilometer easy sein? Was mache ich falsch, dass ich nicht so viele Kilometer laufen kann? Bei den nächsten Trainingseinheiten muss ich schneller laufen, denn sonst kann ich ja nie in der 5:00er Pacegruppe mitlaufen! Um Marathon laufen zu können, muss man wohl jedes Wochenende 30+ Kilometer laufen?

In den letzten Wochen ist mir dieses Phänomen wieder vermehrt aufgefallen. Die Laufcommunity, in der wir regelmäßig unterwegs sind, ist gerade im Berlin Marathon Fieber. Entsprechend wird sehr viel in den Social Media gepostet. Es ist toll, dass die Community Feuer und Flamme für den Marathon ist. Ich liebe die Dynamik meiner Laufcommunity. Aber es ist mir ein persönliches Anliegen, auch auf die „gefährlichen“ Aspekte hinzuweisen.

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Die Kunst sich zu bremsen – oder einfach nur ein Wort: Regeneration

Nicht jeder von uns ist dafür geschaffen, absolute Höchstleistungen zu bringen. Jeder von uns hat seine ganz individuellen Möglichkeiten. Die eine kann einen Marathon in unter 3 Stunden laufen und hat Spaß daran. Der andere mag nicht so lange Distanzen laufen und wird auch nie in der Lage sein, die 10 Kilometer schneller als 45 Minuten zu laufen. Da kann er noch so viel trainineren. Außerdem hat er auch gar keine Lust, 4-5 Mal in der Woche zu trainieren, geschweige denn irgendwelche Intervalle oder Tempoläufe zu machen. Er läuft einfach nur gerne in der Gruppe, genießt es, gemütlich mit Freunden und Bekannten durch die Gegend zu laufen und dabei ordentlich zu schwatzen. Beide Läufer passen in einen Lauftreff und werden auch zu gleichen Teilen herzlich aufgenommen. Jedoch wird durch die Community und insbesondere durch die Sozialen Medien nicht selten ein Bild vermittelt, das (fälschlicherweise) suggeriert, dass man nur ein „würdiges“ Mitglied der Laufgruppe ist, wenn man selbst bestimmte sportliche Leistungen erbringt. Wenn z.B. in der Lauftreff-Facebookgruppe Fotos gepostet werden, die Mitglieder bei einem Zitat „chilligen“ 30km-Lauf zeigen, dann wird der Anschein erweckt, dass man 30 Kilometer mal eben so im Vorbeigehen läuft. Die Laufenden unter uns, die Marathonerfahrung haben, wissen, dass man 30 Kilometer nicht mal eben so läuft. Es ist hart 30 Kilometer zu laufen. Manchmal ein bisschen mehr und manchmal, wenn man Glück hat, ein bisschen weniger. Aber es ist nie ein Spaziergang! Ein 30km-Lauf ist immer eine große Belastung für unseren Körper und unseren Geist. Und nein: Normale Hobbyläufer*innen laufen nicht jede Woche einen 30km-Lauf oder sogar mehr. Aber dieses Bild wird sehr schnell suggeriert, wenn man in die Sozialen Medien schaut. Es scheint so, als wenn es den anderen total leicht fällt, sich auf einen Marathon vorzubereiten. Denn sind wir mal ehrlich: Wie oft posten wir schon, dass es mal richtig scheiße gelaufen ist? Dass wir eine Trainingseinheit abbrechen mussten, weil es einfach nicht ging? Eine Marathonvorbereitung ist kein Zuckerschlecken. Insbesondere nicht, wenn wir uns auf unseren ersten Marathon vorbereiten. Es gibt neben den vielen Ups, auch einige Downs in der Vorbereitung. Das gehört dazu. Nur ist das eben nichts, was man besonders gerne in der Community kundtut.

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5 Tipps für einen gesunden Umgang mit dem eigenen Laufen und dem der anderen

Hiermit möchte ich ein Plädoyer für mehr Sensibilität in unserem Umgang mit anderen Läufer(n)*innen im Lauftreff bzw. der Lauf-Community halten. Ich möchte unerfahrene Laufende innigst darum bitten, sich nicht unvernünftig zu Dingen verleiten zu lassen und vor allem sich nicht als schlechtere Läufer*innen zu fühlen, nur weil sie nicht so weit oder so schnell oder so viel laufen können. Läufer*innen werden nicht über Nacht geboren. Oft braucht es viele Jahre regelmäßigen Trainings (und vieler Ups & Downs), um bestimmte Leistungen zu erreichen. Im folgenden habe ich 5 Tipps für den Umgang mit anderen Läufer(n)*innen, aber vor allem auch mit Dir selbst, zusammengefasst, die ich Dir mit auf den Weg geben möchte.

  1. Wenn Du erfahren bist und z.B. bereits mehrere Marathons gelaufen bist, dann denke in der Community bitte daran: Nicht alle sind so erfahren wie Du. Also teile Deine Erfahrungen unbedingt mit anderen Lauftreff-Mitgliedern. Versetze Dich dabei in ihre Lage. Denk dabei an Deine Zeit, als Du mit dem Laufen angefangen hast. Ratschläge sind sehr individuell. Für den einen können sie passend sein, für die andere wiederum gar nicht. Bedenke das bitte.
  2. Sei ein bisschen behutsamer mit Deinen Social Media Aktivitäten in der Community. Oder anders ausgedrückt: Sei ehrlicher zu Dir selbst, wie auch zu den anderen. Teile Deine Freude über gelungene Wettkämpfe und Trainingseinheiten auch weiterhin mit Deiner Community. Aber sei auch mal ehrlich, wenn es nicht so gut lief oder Du einfach mal keine Lust hattest. Die anderen werden es Dir danken, denn ihnen geht es auch nicht immer gut und es ist beruhigend zu wissen, dass es Dir auch mal so ergeht.
  3. Wenn Du noch recht neu in einem Lauftreff bzw. einer Laufcommunity bist oder wenn Du erst seit kurzem läufst und andere Läufer*innen in den Sozialen Medien verfolgst, lass Dir kein falsches Bild vermitteln. Wenn Du Wettkämpfe laufen willst, suche Dir einen Coach, der Dir hilft in Deiner Trainingsplanung. Ein guter Coach wird immer als erstes Deine individuelle Situation analysieren und darauf basierend einen passenden Trainingsplan für Dich gestalten. Bedenke das bitte, wenn Du Dir keinen Coach suchst und Dir stattdessen einen Trainingsplan aus dem Internet ziehst/zusammenstellst. Es gibt keinen allgemein gültigen, perfekten Trainingsplan. Jeder ist individuell und hat seine ganz individuellen (Trainings-)Bedürfnisse. Berücksichtige das für Dich persönlich!
  4. Schaue nur auf Dich selbst! Damit meine ich nicht, dass Du Dich nicht von anderen positiv motivieren und inspirieren lassen sollst. Tu das weiterhin. Aber bei allem, was Du tust, denke immer daran, dass Du Deine eigene, ganz individuelle Leistungsfähigkeit zu einem ganz individuellen Zeitpunkt hast. Deswegen ist es wichtig, dass Du nur auf Deine eigene Entwicklung schaust. Wenn andere schneller sind als Du, fühle Dich nicht weniger toll, in dem, was Du leistest. Es ist nicht unwahrscheinlich, dass Deine Leistung eine viel größere ist, als die des anderen, obwohl er schneller ist als Du. Hierfür gebe ich gerne ein Beispiel: Du bist möglicherweise gerade Deinen ersten Halbmarathon gelaufen. Du hast durch das Laufen bereits 20 Kilogramm abgenommen, bist aber laut Deines BMIs immer noch leicht übergewichtig. Trotzdem hast Du es geschafft, Deinen ersten Halbmarathon in 2:10 Stunden zu finishen. Was für eine großartige Leistung! Im Gegensatz dazu, gibt es einen Läufer aus Deinem Lauftreff, der den Halbmarathon in 1:45 Stunden gefinisht hat. Dieser Läufer hat eine Bestzeit von 1:30 Stunden auf den Halbmarathon und ist bereits viele Halbmarathons in seinem Leben gelaufen. Er ist also deutlich unter seinen persönlichen Möglichkeiten geblieben. Er hatte auch nicht wirklich Lust auf den Halbmarathon und ist ihn mehr schlecht als recht dahergetrabt. Für mich bist damit ganz klar Du derjenige, der die beachtenswertere Leistung erbracht hat. Lass Dich daher nicht blenden von den Leistungen anderer. Nimm sie gerne als Motivation und Inspiration. Aber schau immer realistisch auf Dich selbst und das, was Du gerade leisten kannst.
  5. Mach nur das, worauf Du auch wirklich Bock hast. Momentan bereiten sich in unserer Community sehr viele Leute auf den Berlin Marathon vor. Wenn man den Marathon nicht läuft, könnte man sich derzeit schon beinahe als minderwertig oder zumindest als ein wenig aussetzig fühlen. Lass solche Gefühle nicht bei Dir aufkommen! Für einen Marathon sollte man nur trainineren, wenn man auch wirklich Bock darauf hat! Es bedarf viel Leidenschaft und einiger Entbehrungen, wenn man einen Marathon laufen will. Lass Dich nicht darauf ein, wenn Du nicht bereit dazu bist. Und vor allem, fühle Dich nicht schlecht, wenn Du einfach keine Lust auf Marathon laufen hast. Vielleicht hast Du auch keine Lust auf Wettkämpfe. Macht nichts! Mache nur das, worauf Du wirklich Lust hast und was Dir wirklich gut tut! Jeder Mensch ist anders, wir alle haben unsere individuellen Bedürfnisse. Was für den einen gut ist, ist für die andere nicht gut!

Throwback zu meinen Laufanfängen – Bremsen und Regeneration

Ich versetze mich in meine Lage, vor 6 Jahren, als ich anfing, mich auf meinen ersten Halbmarathon vorzubereiten. Damals wusste ich nicht viel vom Laufen. Ich habe im Internet recherchiert und mir einen Trainingsplan herausgesucht, der mir sinnvoll erschien. Nach diesem Plan habe ich traininert. Ich habe mich an meinen Trainingsplan gehalten und mit Erfolg und viel Spaß mein Zeitziel bei meiner Halbmarathonpremiere erreicht. Das war im Herbst 2011. Danach stand dann der nächste Halbmarathon im Frühjahr 2012 auf dem Plan. Diesen lief ich 1:30 Minuten schneller und ich war überglücklich. Ein Jahr später folgte mein erster Marathon. Ich hatte damals das Glück, dass eine Arbeitskollegin erfahrene Marathonläuferin und Langdistanztriathletin war, die mir anbot, mir einen Trainingsplan für meine Marathonvorbereitung zu schreiben. So konnte ich wieder nach einem sehr vernünftigen Plan trainieren, der mich forderte, mich aber auch in meinem Tatendrang bremste.

Was wäre nun gewesen, wenn ich auf dem Weg zu meinem ersten Marathon in einer Laufcommunity unterwegs gewesen wäre, wie die, in der ich heute laufe? Klare Antwort: Ich hätte mich absolut verleiten lassen, viel zu viel und wahrscheinlich auch viel zu schnell zu laufen. Diese ganze positive Energie der Community hätte ich so sehr aufgesaugt, dass ich deutlich gesprochen ohne Sinn und Verstand trainiert hätte. Und ich kenne meinen Körper sehr gut: Das hätte mich recht schnell richtig zerstört. Leider sehe ich viele solcher Beispiele in unserer Community. Weil sie keine große Lauferfahrung haben, lassen sie sich in ihrem Enthusiasmus (der absolut klasse ist!) dazu verleiten, zu viel zu machen. Und es fehlt jemand, der sie bremst bzw. auf den sie hören. Regeneration findet bei ihnen somit praktisch nicht statt. Dabei ist die Regeneration so ein wichtiges Thema. Je mehr man macht und je intensiver man trainiert, desto wichtiger ist auch die Regeneration.

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Laufen als gesunder Lifestyle: Ein bisschen „Back to the Roots“

Gruppenzwang ist ein bedeutendes Thema in der heutigen Gesellschaft. Wir tun Dinge, die wir ohne den Einfluss anderer niemals getan hätten. Das können oft positive Dinge sein. Viele Menschen nehmen sich z.B. schon seit langem vor, endlich mit dem Laufen anzufangen. Aber der innere Schweinehund bellt doch immer wieder zu laut. Häufig ist das Laufen in einem Lauftreff eine wunderbare Möglichkeit, den inneren Schweinehund mundtot zu machen. Manchmal wird das Laufen in der Gruppe aber auch zum Problem, wie in diesem Blogpost beschrieben. In einem solchen Fall hilft es, sich ein wenig in die Vergangenheit zu begeben. In die Zeit, als es noch keine Laufuhren, Laufapps und Stoppuhren gab. Social Media war damals noch ein absolutes Fremdwort. Wenn wir gelaufen sind, dann haben wir uns einfach unsere Turnschuhe angezogen, sind rausgegangen und losgelaufen. Wir haben kein Tool verwendet, um zu tracken, wie schnell, wie lange und wieviel wir laufen. Wir haben auch nicht während des Laufens mit anderen diskutiert, was wir diese Woche schon alles trainiert haben, wann der nächste Wettkampf ist und wie eigentlich unsere Bestzeiten aussehen. Wir sind einfach nur rausgegangen und haben uns an der Bewegung an der frischen Luft erfreut.

Dies ist kein Plädoyer dafür, dass Du nicht mehr in Deinem Lauftreff laufen sollst. Dies ist kein Blogpost, der die ganzen technischen Tools unserer Zeit verteufelt. Wir lieben unsere Laufcommunity und die technischen Möglichkeiten. Beides hilft uns, unseren Sport mit vielen Gleichgesinnten zu teilen und zu optimieren. Wir wollen das auf keinen Fall missen. ABER: Manchmal ist es wichtig, sich wieder darauf zu besinnen, was dieser Sport für uns eigentlich ist. Und das macht man am besten, wenn man mal alles beiseite lässt und sich ganz und gar nur auf das Laufen an sich besinnt. Also geh ab und zu mal raus ohne Trackertool und vielleicht auch mal ohne Laufgruppe und mach es mal unkompliziert: Lauf einfach!

2 Kommentare
  1. Markus sagte:

    Zum Glück laufe ich für mich und nicht für ein „blödes“ Finisher-Shirt vom XYZ-Marathon oder irgendwelche Medaillen oder Pokale.
    In dem was Du schreibst, gebe ich dir vollkommen recht. Erst kürzlich kommentierte jemand, dass er 9x die Woche trainiert und das kein Problem wäre, das auch mit Job und Familie unter einen Hut zu bringen. Meine Antwort darauf: „Schön für Dich!“. Denn es ist mir völlig egal, wie schnell oder langsam andere Leute laufen.
    Gerne kann ich dazu auch einen Blogbeitrag beisteuern, über die Vorbereitung für meinen ersten langen lauf, das habe ich m.E. relativ gut protokolliert.

    Antworten
    • Hannah sagte:

      Hallo Markus,

      Vielen Dank, dass Du Deine Erfahrungen mit uns teilst. Jeder sollte das tun, was ihm Spaß macht. Für den einen sind das 9 Trainingseinheiten pro Woche, für den anderen 2 Mal in der Woche eine kleine Laufrunde. Am Ende ist entscheidend, dass jeder das macht, womit er sich am wohlsten fühlt. Und natürlich, dass wir alle etwas (aus sportlicher Sicht) für uns tun. Höher, schneller, weiter muss es aber nicht unbedingt sein.

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